Die Arendals-Werft in Göteborg wurde mit dem Bau des ersten Nordischen Folkebootes beauftragt. Zum Jahreswechsel 1941/42 stand es slipbereit auf der Hellig. Das kleine Schiff war mit 14 mm starken Planken aus schwedischer Kiefer geklinkert. 16 Plankengänge auf jeder Seite. Kiel, Steven und Totholz bestanden aus Eiche. Aus dem Rumpf ragte ein kräftiger Steckmast mit solide dimensionierten Beschlägen. Der hölzerne Mast war auf beiden Seiten mit je einem Want abgestagt. Das Backstag fasste im Top und in zweidrittel Masthöhe setzte das Vorstag an. Am 28. März 1942 wurde Lübeck von britischen Bombern als erste Stadt in Deutschland flächendeckend bombardiert. 320 Menschen fielen dem Bombenteppich zum Opfer, 785 Bewohner wurden teilweise schwer verletzt. Über eintausend Wohnhäuser wurden Schutt und Asche. In Auschwitz bereitete man die ersten Massenvergasungen vor. Und im von Deutschen Truppen besetzten Norwegen legten fünftausend Priester aus Protest gegen den mit den Nazis kooperierenden Faschistenführer Vidkun Quisling ihr Amt nieder. Am 23. April, einen Tag nachdem Göteborgs Hafen eisfrei gemeldet wurde - für Rostock begann ein vier Tage dauernder, alles zerstörender Bombenhagel - wurde auf der Arendals-Werft das erste Nordische Folkeboot seinem Element übergeben. TILL RØRS, das Cluborgan der Königlich Schwedischen Segelgesellschaft, schrieb enthusiastisch, eine große Zahl interessierte Persönlichkeiten hätten das neue Boot geprüft und auch probegesegelt. Die Segler seien begeistert über das Seeverhalten des neuen Bootstyps, insbesondere bei frischer bis kräftiger Brise. Tatsächlich aber hatten viele Yachtsegler die größten Schwierigkeiten sich mit der optischen Erscheinung der neuen Volksboot-Klasse anzufreunden. Ähnlich dem Volkswagen war es ein kompromisslos durchkonstruiertes Boot, das auf jeden überflüssigen Schnörkel verzichtete - das Notwendige jedoch bot. Der Entwurf erschreckte durch seine spröde, aber zweckmäßige Eleganz. Der ungewohnt hohe Freibord stand für den damaligen Geschmack in keinem Verhältnis zur Bootslänge und der als viel zu klein empfundenen Segelfläche. Im Vergleich mit den hochgezüchteten Rennyachten der Vorkriegsjahre ließ sich das neue Volksboot eher mit einem derben Arbeitsgaul, als mit einem temperamentvollen Rennpferd vergleichen. Der grob erscheinende Rumpf in seiner rückschrittlich anmutenden Klinkerbauweise aus nordischen Hölzern, erinnerte an eine Kragejolle und erschien den sportlichen Seglern als Anachronismus zum feinen, formvollendeten Edelholz-Yachtbau der Vorkriegsjahre. An die kapriziösen Überhänge der überzüchteten Schärenkreuzer, Drachen und Meter-R-Yachten gewöhnt, konnten sich die Zeitgenossen nur schwer mit dem wie 'schräg abgehackten' Heck abfinden. Auch das einfach aber zweckmäßig am Spiegel aufgehängte Ruderblatt erinnerte eher an die Arbeitsboote der Fischer, als an eine Yacht. Überzeugt von den seglerischen Qualitäten und der Idee des preiswerten Volksbootes für Jedermann, beschloss der Reeder Sven Salén eine Großserie von sechzig Boote auf eigenes Risiko auflegen zu lassen. Saléns Rechnung ging auf. Kaum waren die ersten Serienboote ausgeliefert, überzeugten sie selbst ihre ärgsten Kritiker mit exzellenten Segeleigenschaften. Das rund 3.500 Kronen teuere Boot stellte einen idealen Kompromiss zwischen Schnelligkeit, Seegängigkeit, Wohnlichkeit und Anschaffungskosten dar. Die nordischen Klinkerboote eigneten sich zum Tourensegeln ebenso, wie zum Regattieren. Der anfangs als zu hoch kritisierte Freibord gab der Mannschaft im nicht selbstlenzenden Cockpit Sicherheit bei Lage und hoch gehender See. Die Nordischen Folkeboote drehten ausgezeichnet und lagen so feinfühlig und lebendig auf dem Ruder, dass selbst verwöhnte Regattasegler ihre Freude daran hatten. Bei Wettfahrten hatte jedes Boot die selben Chancen, gleichgültig in welchem Jahr es gebaut wurde, ob es hauptsächlich Regatten segelte oder üblicherweise der Familie als Fahrtenboot diente. Die Form der Einheitsklasse gewährte Folkebooteignern die Sicherheit, dass man nicht alle paar Jahre ein neues Boot benötigte, wenn man bei Regatten konkurrenzfähig bleiben wollte. Das Nordische Volksboot zeigte sich ideal zum Familiensegeln. Liebte der Eigner die Einsamkeit, so ließ sich das Boot vorzüglich einhand führen. Mit Recht waren die ersten Folkeeigner stolz auf die Eigenschaften ihres Schiffes - und sie überzeugten andere. Mit seinem verhältnismäßig tiefen Hauptspant und dem mit 24 m² knapp bemessenen Rigg, konnte das Nordiska Folkebåten bei leichten Winden natürlich nicht wie eine Rakete durchstarten. Doch wenn Wind und Wellen die Stärke drei erreichten, und vorsichtige Segler mit dem Gedanken ans Reffen spielten, begann das Klinkerboot quicklebendig zu werden. Seine Seeeigenschaften waren hervorragend und konnten sich mit weitaus größeren Booten messen. Starkwind konnte es nicht schrecken. Selbst bei Windstärken um sieben segelte es unter Vollzeug noch trocken und man fühlte sich in seinem tiefen, geräumigen Cockpit sicher wie in Abrahams Schoss. Wurde das Schiff verantwortungsvoll geführt, war auch das nicht selbstlenzende Cockpit kein Problem. Wie mit einem schäumendem Knochen zwischen den Zähnen kreuzte es sich auch bei schwerer See von jeder Leeküste frei. Eine erfahrene Mannschaft war in der Lage das Letzte aus dem kleinen Klinkerschiff herauszuholen. Andererseits war die Gutmütigkeit des Bootes vorzüglich dazu geeignet, auch grobe Fehler einer unerfahrenen Crew auszugleichen. Besonders diese ausgleichende Eigenschaft machte die Klasse als Schulungs- und Familienboote besonders beliebt. Das ursprüngliche Folkeboot besaß eine spartanische, doch einfachen Ansprüchen genügende Week-end-Ausstattung: ein Paar ausreichend große Kojen - Mindestmaß 1,80 x 0,55 m; vor dem Mast Platz für eine Eimertoilette und genügend Segelstauraum. Das Gesamtgewicht der wohnlichen Einrichtung musste nach Klassenvorschrift insgesamt mindestens 35 kg betragen. Für die Gestaltung des Cockpits sowie die Größe und Ausführung des Kajütaufbaus ließen die Klassenvorschriften Spielraum. Ein Luk auf dem Vorschiff war möglich, jedoch nicht zwingend notwendig. Stand der Mast, was bei entsprechenden Unterzügen erlaubt war, auf Deck, so waren zwei Wanten pro Seite vorgeschrieben. Ruhte der Steckmast auf dem Kielschwein, reichte ein Want pro Seite aus. Die kleine Pantry mit einfachem Petroleumkocher genügte zwar nicht für ein mehrgängiges Menü; für ein einfaches Mittagessen oder einen schmackhaften Eintopf war sie in jedem Falle ausreichend. Für Frühstückskaffee oder Tee reichte es allemal. Dank der großen Stückzahl, die Salén gleich zum Start der Klasse auf den Markt warf, erlebte das Boot in Schweden einen idealen Start. Von Beginn an fanden ausreichend große Regattafelder zusammen. Eine großflächige Verbreitung der Klasse war so gewährleistet. Das Folkeboot wurde die erste europäische One-design-Wanderklasse mit Kajüte. |
Segelriss und Seitenansicht des Nordischen Folkebootes
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